Aktuelles aus Prishtinë (Pristina), Mitrovica, Prizren, Prizeren, Pejë, Pec - Historisches zu Kosova und UCK
03:13
28.03.2023
In der Schweiz ist ein Buch des Historikers und Entwicklungsexperten René Holenstein, unter dem Titel- «Dieses Schicksal unterschreibe ich nicht – Gespräche im Balkan» erschienen. Das Buch bietet in der Tat, viele Argumente um eine vernichtende Bilanz über die Tätigkeit der internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien und Kosova zu ziehen.Die Entwicklung in beiden Gebieten zeigt, «dass die Oberaufsicht durch internationale Organisationen keine stabilen und demokratischen Verhältnisse hervorgebracht hat»,

 schreibt der Schweizer Historiker und Entwicklungsexperte René Holenstein in seinem Buch, in welchem er zahlreiche Gespräche mit Intellektuellen aus Bosnien-Herzegowina, Kosova, Serbien und Kroatien wiedergibt.

Das Grundproblem: Der ethnische Proporz hat Vorrang vor individuellen Rechten, vor der Bildung eines staatsbürgerlichen Bewusstseins. Das wiederum führt zu einer Selbstblockade der staatlichen Macht. Da die internationalen Organisationen die lokalen Strukturen ersetzen, «sind sie inzwischen selbst zum Problem geworden», schreibt Holenstein. Der Autor vergisst allerdings genau darzulegen, dass letzteres die imperiale Strategie ist. Der ethnische Konflikt wird befördert, um unkontrolliert Macht auszuüben. Auch ist dem Autor nicht deutlich, dass der ethnische Konflikt durch die Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechtes bewußt angeheizt wird. Durch das Gerede über "Multikulti" werden die Menschen objektiv einander entgegengestellt. Der imperiale Herr definiert die Kultur und ist damit der schlecht getarnte rassistische Oberaufseher.

Holenstein bezeichnet Kosova und Bosnien-Herzegowina als «Quasi-Protektorate». Und diese erreichten «genau das Gegenteil dessen, was sie zu erreichen versuchten: Schwache Staaten und fragmentierte Regionen führen zu einer Verfestigung der ethnischen Mentalitäten anstatt zu nationaler Integration und staatlichem Zusammenwachsen.»

Tito und der Hohe Repräsentant

In der Tat, die Schweitzer Zeitung espace.ch liegt richtig. Die Zeitung schreibt zu dem Buch: „In Kosova hat sich die Uno-Verwaltung eingenistet, die später von einer EU-Mission abgelöst werden soll; in Bosnien-Herzegowina sitzt ein Hoher Repräsentant der internationalen Staatengemeinschaft, der über reichlich dotierte Exekutivvollmachten verfügt und häufig ins politische Tagesgeschäft eingreift; nur so lässt sich der zerbrechliche Staat offensichtlich zusammenhalten.“

Zarko Puhovski, Professor für politische Philosophie an der Universität Zagreb, vergleicht diesen Hohen Repräsentanten gar mit dem früheren jugoslawischen Staatschef Tito: «Passen der Obrigkeit die Entscheide der lokalen Behörde nicht in den Kram, interveniert die Partei bzw. der Hohe Repräsentant.» (Alle Zitate aus dem erwähnten Buch.) Das führe zu einer Atmosphäre, «die einer Demokratisierung abträglich sei, besonders in einem Umfeld, das keine demokratische Tradition kennt».

Die Vorwürfe der Enkelin Titos

Schwere Vorwürfe gegen die Zustände erhebt auch Titos Enkelin Svetlana Broz: Sie bezeichnet die gegenwärtige Lage in Bosnien und Kosova als «Demokratisierungsfarce unter internationaler Aufsicht». Die Ärztin sammelte Lebensgeschichten von Personen, die sich auch unter den extremen Bedingungen des Krieges weigerten, ihr Menschsein auf ihre ethnische Zugehörigkeit zu reduzieren. „Das Dayton-Abkommen habe zwar den Krieg beendet, aber die ethnische Teilung des Landes zementiert“, bemerkt die Tito Enkelin völlig zutreffend.

Zarko Puhovski weißt in dem Buch auf eine besonders heimtückische Art der Abhängigkeit hin : «In Sarajevo kenne ich praktisch niemanden, dessen oder deren Gehalt nicht von der Regierung, einer Nichtregierungsorganisation oder einer Botschaft bezahlt wird. Es gibt keine Industriearbeiter und keine Wirtschaft mehr – alles Geld kommt aus einer der drei Quellen.» Das sei eine «pervertierte Form der internationalen Hilfe»

EU und Menschenrechte

Bittere Worte finden auch Menschen aus Serbien zur Politik der westlichen Staatengemeinschaft. „Der Westen habe einen Fehler gemacht, als er Serbien nach dem Sturz Milosevics «zu einem demokratischen Land erklärte», sagt die Belgrader Rechtsanwältin Biljana Kovacevic-Vuco. «Ein geschwächtes Serbien, das nicht mehr in der Lage ist, Kriege zu führen, scheint dem Westen schon auszureichen; um die Menschenrechte sollen sich doch andere Sorgen machen.»

Und Natasa Kandic, Soziologin und Direktorin des Fonds für humanitäres Recht in Belgrad, meint: «Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit müsste für die westlichen Regierungen eine Priorität sein. Aber die EU hat aufgehört, Menschenrechtsorganisationen in Serbien zu unterstützen.» Statt das durch sie aufgebaute Dokumentationszentrum und die Opferberatung zu fördern, seien die Mittel gekürzt worden.