Aktuelles aus Prishtinë (Pristina), Mitrovica, Prizren, Prizeren, Pejë, Pec - Historisches zu Kosova und UCK
13:20
20.03.2023

04. Januar 2008 - Verurteilte und in der Untersuchungshaft sitzende Häftlinge der größten Haftanstalt Kosovas - der Dubrava - sind vor sechs Tagen in einen Hungerstreik getreten. Am Donnerstag den 3. Januar wurde die Aktion vorläufig gestoppt. Mehr als 600 Gefangene in der berüchtigten Justizvollzugsanstalt verlangen bessere Haftbedingungen, die Einführung von Hafterleichterungen und Amnestiebestimmungen, so die lokale Medien und die Menschenrechtsorganisation KMLDNJ aus Prishtina.

 Mehrere Häftlinge sollen bereits in der Vergangenheit mehrfach öffentlich, aber vergeblich an die zuständigen internationalen und lokalen Behörden ihre Forderungen adressiert haben. Angesicht der Ignoranz und den Untaten der Regierenden haben sich die Insassen von Dubrava organisiert und versuchen durch den andauernden Streik ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. Die Zahl und die Erbitterung der Streikenden wachsen. In diesem Kontext ist auch die Meldung erwähnenswert, dass auch der Hochsicherheitstrakt 1 sich den Streikenden angeschlossen hat, ein Trakt in Dubrava, in dem ehemalige Kämpfer der Befreiungsarmee Kosovas (UCK) und politische Opponenten des Systems isoliert von den anderen Häftlingen festgehalten werden. Sollte diese Meldung stimmen, dann gewinnt der Streik auch eine zusätzliche politische Brisanz.

 

Nach dem tragischen Tod von fünf Personen bei einem Brand und der Flucht von sieben Gefangenen im Vorjahr aus Dubrava, spricht der gegenwärtige Unmut der Streikenden dafür, dass etwas in dem Justizsystem und Gefängnissen Kosovas nicht stimmen kann. Seit dem Kriegsende im Jahre 1999 findet in dem installierten Justizsystem der UN-Mission in Kosova (UNMIK) eine fragwürdige und äußerst zweifelhafte Praxis in der Behandlung von Gefangenen statt. So sitzen einerseits Angeklagte seit mehr als drei Jahren in Untersuchungshaft und warten vergeblich auf einen Prozessbeginn. Anderseits werden andere Angeklagte und Häftlinge je nach Volkszugehörigkeit, Regierungsnähe oder Geldbörse differenziert behandelt. Und den bereits rechtskräftig Verurteilten werden keine Hafterleichterungen in Form von Amnestie und vorzeitiger Entlassung in Aussicht gestellt. Ferner werden Familienbesuche und Sozialisierungsmaßnahmen sehr selten, wenn überhaupt praktiziert.

Das von der UNMIK geführte Justizsystem hat mehrfach für Schlagzeilen in der nationalen und internationalen Presse gesorgt. Dieses System steht selbst unter der Kritik und ist zum internationalen Politikum geworden. Gegen einigen führende Justizfunktionären der UNMIK wird sogar ermittelt, wie der Fall des stellvertretenden UNMIK-Chefs Steven Schock am besten veranschaulicht.

 

Wie zynisch dieses System agiert illustriert am besten das Gefängnis Dubrava selbst. Dubrava wurde von dem serbischen Regime in den 80ern als Zentralgefängnis Kosovas für politischen Gegner errichtet und im Betrieb genommen. Unter strengsten Maßnahmen wurden dort politische Gegner des Regimes gefoltert und festgehalten. Einige der bekanntesten politischen Persönlichkeiten, die während der 80er und 90er in diesem Gefängnis saßen, sind: Prof. Ukshin Hoti, Albin Kurti, Nait Hasani und viele andere. Während des Krieges hatte das serbische Regime in der Nähe und selbst in der Anstalt eine Vielzahl von Soldaten und Militärmaschinerie zusammengezogen, sodass NATO-Flugzeuge diesen Komplex bombardierten. Dabei kamen viele Gefangen um. Die Tragödie, das Morden vor Ort ging aber weiter. Die serbischen Wärter und Milizen nutzten diese Gelegenheit und töteten ihrerseits hunderte Häftlinge und verscharrten deren Überreste in verschieden Teilen Zentralserbiens. Die übrig gebliebenen Lebenden und verwundeten Gefangenen wurden in den anderen Haftanstalten Serbiens verteilt. Erst im Jahre 2002 wurden sie in die Freiheit entlassen.

Anstelle der Errichtung eines Gedenkstädte für die dort praktizierte Verbrechen, die Folter, die Unmenschlichkeit und vor allem zu Ehren der dort getöteten und geschundenen Menschen, zog die UNMIK unterstützt durch EU-Finanzspritzen den Widerbetrieb der Haftanstalt vor. Dadurch wurden bewusst Verbrechensspuren verwischt und eine Aufklärung der Vorkommnisse erheblich erschwert.

 

Von einem solchen System können auch die jetzigen Streikenden nicht all zu viel erwarten. Notgedrungen haben sie das "Vergnügen" in einen mehrfachen Ort des Verbrechens zu hausen, in einem Ort, wo Hunderte ihr Leben ließen, nur weil sie eine andere Ethnie oder eine andere Meinung hatten. Hoffentlich endet dieser Streik nicht mit einer weiteren unnötigen Tragödie!

 

Quellen:

Nachrichten der öffentlich-rechtlichen TV-Senders Kosovas RTK vom 03.01.08

Tageszeitschrift "Gazeta Express", Ausgabe vom 03.01.08

Mitteilung der Menschenrechtsorganisation KMLDNJ

 

Weitere Infos zu Dubrava-Gefängnis:

http://www.bbv-net.de/public/article/aktuelles/politik/269102

 

http://www.ssn.ethz.ch/info_dienst/medien/nzz/documents/2000/12/$6X25D$T.htm

 

http://www.kulturserver-hamburg.de/home/illyria/i.php3?s=d&p=apel_gefangene_25.01.2002